Menschen wollen vertrauen
In einer immer komplexeren Welt und dem Hang der Menschen zur Optimierung und Komprimierung der verfügbaren Zeit, ist es nahezu unmöglich, jede Kaufentscheidung über detaillierte Informationen abzusichern. Obwohl noch nie eine solch hohe Menge von Informationen zu Produkten, Dienstleistungen, Unternehmen, Institutionen und Personen per Mausklick verfügbar waren wie heute, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass diese auch vor jeder Entscheidung genutzt werden. Dafür gibt es einen einfachen Grund: der Zeitaufwand ist nicht allen, aber vielen Menschen zu hoch.
Auch wenn sich Vergleichs- und Bewertungsportale einer großen Fangemeinde erfreuen dürfen, so werden nach wie vor die meisten Kaufentscheidungen auf der Grundlage von Vertrauen gefällt. Wer meint, dies sei eine gewagte These, dem sei geraten, rückblickend das eigene Kaufverhalten im Alltag zu reflektieren. Dabei wird sich so mancher an die vielen Stunden seiner Internet-Recherchen erinnern, für den letzten Autokauf, für die Auswahl seiner Urlaubsreise oder den neuen Wäschetrockner. Da diese intensiven Recherchen im Bewusstsein verankert sind, erinnern wir uns kaum noch an die vielen spontanen und vertrauensbasierten Kaufentscheidungen.
Und wer ehrlich zu sich ist, wird erkennen, dass die meisten Internet-Recherchen mit einer gewissen Vorprägung bzw. Konditionierung auf bestimmte Marken gestartet wurden, in dem der Suchbegriff mit einer Marke verknüpft wurde, wie zum Beispiel „Dyson Akku-Staubsauger“ statt einfach nur „Akku-Staubsauger“. Je stärker Markenbekanntheit und -vertrauen ausgeprägt sind, je höher ist der Anteil der Keywords mit einem Markenbezug. Vor diesem Hintergrund sagt eine Keyword-Analyse stets auch etwas über die Stärke einer Marke.
Würde man die Suchenden nach dem „Warum“ fragen, würde man meist folgende Antwort erhalten: „Weil ich die Marke kenne“. In Wirklichkeit verbirgt sich jedoch hinter der Kennerschaft häufig ein hohes Maß an Vertrauen in die Marke.
Vertrauen – der letzte Kick zur Kaufentscheidung
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich jegliches Markenvertrauen aus einer kognitiven und einer affektiven Komponente zusammensetzt. Die kognitive Dimension umfasst dabei die Kompetenz und Berechenbarkeit einer Marke, die emotionale Dimension das Wohlwollen und die Integrität. Werden diese Aspekte einer Marke beigemessen, wird Vertrauen „geschenkt“. Das starke und angenehme Gefühl des Wohlwollens wird durch die gefühlte Sicherheit genährt. „Ich bin sicher, dass mit dem Kauf dieser Marke meine Ansprüche erfüllt werden, wie z.B. Genuss, Lebensfreude, Gesundheit, Bequemlichkeit, soziale Anerkennung, Erlebnis, Schönheit, Fitness – also alles, was Menschen zum Kauf von Produkten motiviert.
Vertrauensbasierte Handlungen sind immer das Ergebnis eines komplexen, oftmals unbewusst ablaufenden Abwägungsprozesses, der sich zwischen den Wünschen und Erwartungen auf der einen Seite und einer Risikobewertung auf der anderen Seite bewegt. Je höher sich das mit dem Kauf eines Produkts empfundene Risiko darstellt, um so intensiver wird vor dem Kauf recherchiert und umso mehr wenden sich Käufer Marken zu, denen sie vertrauen. Das tief verwurzelte menschliche Bedürfnis nach Sicherheit findet sein „Happy End“ im Vertrauen, das uns den letzten „Kick“ zur Kaufentscheidung verleiht.
Der Aufbau von Markenvertrauen gleicht einem Marathonlauf
Die Studie „Brand Experience + Trust Monitor“ aus dem November 2020 zeigt auf, dass acht deutsche Traditionsmarken gerade jetzt in den schwierigen Zeiten ein besonders hohes Vertrauen genießen: dm, Miele, Rossmann, Nivea, Edeka, Aldi Nord/ Süd, Siemens und Lidl. Die Erklärung des Studien-Autors Munzinger: „Die Menschen wenden sich in Zeiten von De-Globalisierung und allgemeiner Verunsicherung vermehrt deutschen Traditionsmarken zu, die Orientierung und ein Gefühl von Verlässlichkeit vermitteln.“ Tradition, als Ergebnis eines langen Atems, ist somit ein wichtiger Vertrauensanker. Die im Vergleich noch jungen Digitalmarken Facebook und Twitter haben hingegen einen beachtlichen Vertrauensverlust erlitten, weil sie als Forum für Hate Speech und allerlei Verschwörungstheorien ihrer Nutzer verantwortlich gemacht werden. Für viele überraschend, haben sich die oft gescholtenen öffentlich rechtlichen TV-Sender ARD und ZDF im Vertrauensranking einen Platz in den Top 20 erobern können. Wie könnte es anders sein? Schon unsere Großeltern wussten, Vertrauen muss man sich verdienen. Dies ist jedoch kein Sprint, sondern bedarf einem hohen Maß an Kontinuität, Integrität und dauerhafte Verlässlichkeit. Und: Markenvertrauen entsteht nur dann, wenn die Markenversprechen eingelöst werden.
Auch Neukunden wollen vertrauen
Auch wenn die Erwartungen der Kunden erfüllt werden, so ist damit noch keinesfalls ein VertrauensWERT geschaffen, der auch bei Neukunden seine volle Wirksamkeit entfalten kann. Deshalb bedürfen die Erstkäufer einer besonderen Beachtung, weil sich der Entscheidungsprozess wegen fehlende Markenerfahrung anders als bei Stammkunden darstellt. Erstkäufer lesen viel häufiger Testberichte, besuchen Vergleichsportale, lassen sich im Netz „influencen“ oder wenden sich an Freunde. Selbst wenn sich Menschen vor dem Kauf im stationären Fachhandel beraten lassen, so sind sie oft bereits durch vielfältige Vorinformationen konditioniert. Insbesondere Autoverkäufer können ein Lied davon singen, wie tiefgehend sich potenzielle Kunden, nicht nur über Preise, sondern über technische Details vorinformiert haben. Hier dauerhaft „auf Ballhöhe“ des Kundenwissens zu sein oder idealerweise dem Kundenwissen einen Schritt voraus zu sein, stellt eine große Herausforderung für die Fortbildung des Verkaufspersonals dar.
Entscheidend in der persönlichen Beratung ist, zu verstehen, dass ein zweigliedriges Vertrauen aufgebaut werden muss: das Vertrauen in das Produkt und das Vertrauen in die Versprechen des Verkäufers.
Fazit: In der Summe ist das Spektrum der Einflussfaktoren auf das Markenvertrauen immer vielfältiger geworden. Deshalb gilt es, die gesamte Customer Journey nach Ansatzpunkten für das „Werfen von Vertrauensankern“ zu durchforsten. Ob Testimonials, positive Testberichte, Testangebote, Qualitäts-Siegel, Garantieversprechen oder besonders vertrauensbildende Aussagen, wie der berühmte Satz von Claus Hipp: „Dafür stehe ich mit meinem Namen“, sind unverzichtbare Markierungen auf dem Weg zur Kaufentscheidung.
In der Summe aller vertrauensbildenden Maßnahmen sollte der höchstmögliche VertrauensWERT für die Marke geschaffen werden. Schließlich ist der VertrauensWERT derjenige Wert, der auch den wirtschaftlichen Wert jeder Marke nachhaltig bestimmt.