Warum Marken ein gutes Wissensmanagement brauchen.

Warum Marken ein gutes Wissensmanagement brauchen.
Wendelin Abresch | 03.03.2020

Was wissen potenzielle Kunden über Ihre Marke? Bevor man auf diese Frage eine solide Antwort geben kann, stellt sich zunächst die Frage, ob und in welchem Grad die Marke in den relevanten Zielgruppen (!) überhaupt bekannt ist. Mittelständische Unternehmer haben darauf meist keine Antwort, weil deren Markenbekanntheit selten oder nie empirisch gemessen wurde. Doch selbst bei Konzernmarken greift man häufig auf Marktstudien zurück, die einige Jährchen alt sind. Oftmals weiß nicht mehr, ob es sich um eine gestützte oder ungestützte Markenbekanntheit handelt und welche Stichprobe zugrunde liegt. Insbesondere bei der gestützten Bekanntheit fallen die Bekanntheitswerte oft sehr hoch aus, was jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Kaufbereitschaft der Marke erlaubt. Ob die Marke im Falle einer Kaufabsicht in Erwägung gezogen würde, also im "Relevant Set" ist, bleibt meist im Verborgenen.

Indizien für Markenbekanntheit.

Da die Bereitschaft der mittelständischen Unternehmen, Geld für Marktstudien auszugeben, recht überschaubar ist, wenden wir in unseren Markendiagnosen eine einfache Methode an, um zumindest Indizien für die jeweilige Markenbekanntheit zu sammeln: Wir fragen Google. Über eine Keyword-Analyse lässt sich herausfinden, wie oft der eigene Markenname im Vergleich zu den Wettbewerbsmarken im Monatsdurchschnitt gesucht wird. Über das Setzen von Filtern lassen sich regionalspezifische Werte oder auch saisonale Schwerpunkte identifizieren. Dies soll jedoch keinesfalls eine individuelle Bekanntheitsanalyse ersetzen, zumal sich die ermittelten Werte nicht in Zielgruppen segmentierten lassen. Dennoch erhält man eine erste Aussage über die relative Markenbekanntheit. Schließlich können nur Markennamen in Suchmaschinen gesucht werden, die auch bekannt sind – logisch.

Markenbekanntheit ist nur die Spitze des Eisbergs.

Wer den WissensWERT seiner Marke gestalten und optimieren will, muss bereit sein, ins kalte Wasser zu springen, um den Eisberg von unten zu betrachten. Unter Wasser ist der Eisberg ja deutlich größer und mächtiger als vermutet, siehe Titanic. Hier spielt die wahre Musik des Markenwissens. Während die Markenbekanntheit noch nichts über den Grad der Kaufbereitschaft aussagt, sorgt ein vertieftes Markenwissen der potenziellen Kunden für ein höheres Markenvertrauen und am Ende für eine höhere Kaufbereitschaft.

Markenwissen als Prestigefaktor.

Ein ausgeprägtes Markenwissen kann aus Sicht des Kunden sogar ein emotionaler Mehrwert im Sinne eines Prestigefaktors sein. Im Freundes- und Bekanntenkreis erlebe ich immer wieder Menschen, die mit großer Leidenschaft ihr Wissen über eine Motoradmarke, einen besonderen Wein, ihr regionales Lieblingsbier, über ein Restaurant oder über die Marke ihres Smartphones preisgeben. „Soziale Anerkennung“ ist oftmals der verdiente Lohn für Markenwissen. Leuchtendes Beispiel hierfür ist die "Erlebnisbrauerei" in Hachenburg im Westerwald, die jährlich tausende von Besuchern in die Westerwald-Brauerei lockt, um wertvolles Wissen über die Herstellung von Bier im allgemeinen als auch die differenzierenden Markenwerte zu vermitteln. Die Wirkung auf die spätere Kaufbereitschaft ist nachweislich so immens, dass diese Form der Wissensvermittlung und Vertrauensgewinnung zurzeit erheblich ausgebaut wird.

Schön und gut. Aber welches Wissen ist für den Kunden überhaupt relevant?

Wollen die Menschen in unserer Informations- und reizüberfluteten Welt überhaupt Markenwissen erwerben? Reicht die Wahrnehmungsenergie der Nutzer von digitalen Medien aus, um vertiefendes Wissen über die Marke und ihre Produkte aufzunehmen – und zwar außerhalb eines konkreten Kaufentscheidungsprozesses? Klar, wenn ich eine Kaufabsicht habe, bin ich aufnahmebereit und versuche, meine Entscheidung über vielfältige und oft tiefgehende Informationen abzusichern. Aber bin ich wirklich bereit, Informationen über eine Biermarke aufzunehmen, ohne Durst zu haben – aber selbst dann? Hand aufs Herz. Wann haben Sie zuletzt das Rückenetikett einer Bierflasche gelesen. An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, dass die Vermittlung von relevantem Markenwissen eine große Herausforderung darstellt. Die Erlebnisbrauerei der Marke Hachenburger zeigt, dass ein passendes Format der Wissensvermittlung gefunden werden muss. Selbst Marken mit erklärungsbedürftigen Produkten, die sich an spezielle b2b Zielgruppen wenden, fällt es schwer, relevantes Marken- und Produktwissen zu vermitteln – wobei das Vermitteln von Produktwissen meist leichter fällt, weil diese Informationen mehr dem unmittelbaren Kundeninteresse entsprechen als die Produkt übergreifenden Markenwerte. Wertebezogene Markenversprechen erscheinen also dem Kunden auf den ersten Blick von geringer Bedeutung zu sein. Sind sie jedoch einmal gelernt, akzeptiert und verinnerlicht, sind sie von erheblichem Wert. Auch sind Markenwerte im Hinblick auf die Preisakzeptanz besonders wichtig. Dies vor allem dann, wenn es sich um eine Qualitätsmarke handelt, die durch ihren geringeren Bekanntheitsgrad noch keine klare Preisposition im Kopf des potenziellen Käufers aufbauen konnte.

Die Zauberworte heißen Content Marketing und Storytelling.

Mit dem kometenhaften Aufstieg der Online-Kommunikationskanäle hat sich eine (nicht mehr ganz so neue) Welt der Möglichkeiten aufgetan, relevantes Markenwissen so zu vermitteln, dass es auch dort ankommt, wo es Wirkung entfalten kann: in den Köpfen der Zielgruppe. Und so werden seit geraumer Zeit in der gesamten Marketingszene die Zauberworte Content Marketing und Storytelling als wirksame Methoden propagiert. Wir meinen: Ganz zu recht. Schließlich liegt darin der Schlüssel, Informationen so interessant aufzubereiten, dass sie im Sinne der Marke eine nachhaltige Wirksamkeit entfalten können.

Leider fehlen für die genannten Zauberworte die einfachen Zauberformeln, was bedeutet, dass der Weg zum einem erfolgreichen Content Marketing viel Arbeit bedeutet. Nur über kluge Analysen, die richtigen Fragen, Empathie für die Kunden und jede Menge Kreativität wird man das passende Wissenskonzept für seine Marke finden. Allzu oft prägt die persönliche Begeisterung für bestimmte Kanäle, in welche Richtungen Aktivitäten entfaltet werden. Die Gefahr, hier in einen „Aktionismus“ zu verfallen ist groß. „Wir brauchen was für Youtube“ oder „Lass uns mal eine Facebook-Kampagne starten“ – so oder ähnlich beginnen häufig wohlgemeinte Aktivitäten, die leider meist Stückwerk bleiben, und am Ende zu Frust und Enttäuschungen führen. Mit einer solch aktionistischen Vorgehensweise ist man noch weit von einem planvollen Wissensmanagement entfernt.

Wer Fragen stellt, findet Antworten.

Am Beginn eines planvollen Wissensmanagement-Prozesses sollte also keinesfalls eine bestimmte Kampagne in einem bestimmten Kanal stehen, sondern es bedarf einer Betrachtung der Informationsbedürfnisse der Kunden entlang der Customer Journey. Dabei sollte ein Maximum an verfügbaren Daten und Fakten beschafft und systematisch ausgewertet werden, wie z.B. das bisherige Besucherverhalten auf der Website, die Öffnungsquoten der jeweiligen Newsletter-Themen, die Insights aus den Socialmediakanälen, die häufigsten Fragen aus dem Callcenter und andere verfügbare Grundlagen. Zusätzlich sollte Mitarbeiter, die an der Nahtstelle zum Markt tätig sind, wie z.B. aus Vertrieb und Service, in den Analyse- und Lösungsprozess einbezogen werden. Je nach Aussagefähigkeit der Daten & Fakten ergeben sich meist eine Reihe von Fragen, die es gemeinsam zu beantworten gilt. Hier einige Beispiele:

  • Wie unterscheiden wir Produktwissen und übergreifendes Markenwissen? Diese Unterscheidung ist wichtig, weil es oftmals einen Überfluss an Produktwissen und einen Mangel an Markenwissen gibt.
  • Welches Markenwissen wird wirklich nachgefragt?
  • Welches Markenwissen würden wir gerne vermitteln, wird aber augenscheinlich nicht aktiv nachgefragt?
  • Welches Markenwissen fördert die Preisakzeptanz, welches die Kaufbereitschaft?
  • Welches Wissen benötigen unsere Absatzmittler (Franchisenehmer, Verkäufer im Handel u.a.), um unsere Marke erfolgreich zu vertreten?
  • Welches Markenwissen benötigen die Produktverwender oder –anwender?
  • Auf welche Weise vermitteln wir heute Markenwissen? Wo liegen die Defizite, wo die Potenziale?

Erst wenn das Wissensmanagement-Team auf diese und ähnliche Fragen die passenden Antworten gefunden hat, folgt die Suche nach den richtigen Formaten und den passenden Kommunikationskanälen. Letztere sind ja lediglich die Schienen, auf den die Waggons Richtung Zielgruppe fahren. Ob diese jemals entladen werden, hängt von der Relevanz der Ladung ab.

Die Lösungen sind so individuell wie das Unternehmen und seine Marke(n).

Nachdem alle Fragen gestellt und weitgehend beantwortet sind, beginnt die Suche nach Lösungen. Konkret sind Antworten auf folgende Fragen zu finden:

  • Welches Markenwissen wollen wir in welchen Formaten auf welchen Kanälen vermitteln?
  • Wie können wir Produktwissen und Markenwissen geschickt verknüpfen? (Manchmal ist es klug, die Markenwerte auf dem "Trittbrett" der Produktinformationen mitfahren zu lassen).

Da man selten bei Null beginnt, ist es hilfreich, die bisher vermittelten Inhalte, Formate und Kanäle übersichtlich darzustellen, um sich einen ganzheitlichen Blick auf die Startposition zu verschaffen. Dies erleichtert das Aufspüren der bislang ungenutzten Potenziale. Nun sollte man einen kreativen Prozess starten, in dem alle Ideen zugelassen sind und so wenig wie möglich Einwände, die meist mit "JA ABER.." beginnen, zugelassen sind. Oftmals stecken in den verrücktesten Ideen die Keimzellen für herausragende und alleinstellende Lösungen. Keinesfalls sollten Sie sich unter Druck setzen, alle entwickelten Ideen sofort umsetzen zu wollen. Meist stehen dazu weder die Ressourcen zur Verfügung, noch wäre es klug, die Kunden mit einer Fülle von neuen Maßnahmen zu überfordern. Kleine aber konsequente Schritte sind oftmals wirksamer als ein "One Hit Wonder". Jeden Tag stehen neue Kaufinteressenten auf, die von der Marke überzeugt werden sollen. Deshalb ist das kontinuierliche Vermitteln von relevanten Informationen eine Daueraufgabe. Schließlich produzieren die immer kürzer werdenden Innovationszykeln der Produkte immer wieder neuen Wissensbedarf.

Fazit: Nur ein substanzielles Wissensmanagement führt zu einem hohen WissenWERT – einem der drei wesentlichen Erfolgsfaktoren für die Marke.


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